Für Aleksandra Maksakova geht mit dem ersten CHIO-Start ein Traum in Erfüllung. Die 26-jährige Dressurreiterin, die für Palästina startet, wird seit Jahren von Johannes Rueben aus Würselen trainiert.
Helga Raue Redakteurin 02.07.2024
Es war ein eigentlich ganz harmloser Anruf, doch er löste zuerst eine Flut von Tränen, gefolgt von Jubel und hektischer Betriebsamkeit aus. „Nein, wir starten in Deauville, nicht in Aachen“, sagte Johannes Rueben auf die Interviewanfrage vor dem CHIO-Start. Aufgrund der beharrlichen Nachfrage dann aber alarmiert, kontaktierte der Dressurtrainer aus Würselen sofort seinen Schützling Aleksandra Maksakova. „Sie ist vor Freude in Tränen ausgebrochen, damit hatte sie nicht gerechnet – und ich auch nicht“, strahlte auch der 42-Jährige beim Rückruf und lud begeistert zum Gespräch bei Erdbeerkuchen auf die Reitanlage in Würselen-Broichweiden ein.
Zwei Tage später – Aimee hat inzwischen wieder ihre Box auf der Reitanlage der Familie Rueben bezogen und noch einige jüngere ihrer vierbeinigen Kollegen mitgebracht, die sich auf den Start in Deauville vorbereiten müssen. Denn jetzt wird die Zeit knapp. Schon am Mittwoch müssen Aimee und Maksakova beim Prix St. Georges in Aachen antreten. Und tatsächlich: Bei Erdbeerkuchen und Kaffee erzählt die sympathische Dressurreiterin von ihrem Traum, einmal beim CHIO Aachen starten zu dürfen – einem Traum, der nun überraschend in Erfüllung geht.
„Im vergangenen Jahr habe ich meine Freundin begleitet, die in Aachen für Palästina starten durfte. Das Stadion ist einfach toll, und ich habe mir so sehr gewünscht, dass ich da auch selbst einmal reiten darf“, sagt die 26-Jährige. „Und es ist unglaublich, dass ich da nun auch reiten werde, ich realisiere das nur ganz langsam.“ Gerechnet hatte Maksakova damit nicht. „Ich hatte einfach mal eine Anfrage an den Veranstalter gestellt, doch es hieß, das Starterfeld sei voll, die Warteliste lang, und man hat mir keine Hoffnung gemacht. Daher und auch weil ich verletzt war, habe ich auch nicht wie normal die App der FEI gecheckt, ob ich doch noch einen Startplatz bekomme. Der Anruf von Johannes hat mich wirklich überwältigt.“
Maksakova, gebürtige Russin aus Chelyabinsk im Ural, startet seit eineinhalb Jahren für Palästina, lebt mit ihrem Ehemann, dem Springreiter Egor Shchibrik, auf einer Anlage in Rucphen in der Nähe der niederländischen Stadt Breda und trainiert inzwischen seit insgesamt acht Jahren im Stall Rueben. „Mit zehn Jahren habe ich hobbymäßig mit dem Reiten begonnen, mit 14 wusste ich, dass ich Profi werden wollte“, war sich die junge Dressurreiterin früh bewusst, wie sie sich ihr Leben vorstellte. Ihre Eltern hatten ein Einsehen. Es gab einen Kontakt zu Hans Rueben, und so zog sie kurz darauf für zwei Jahre zur reiterlichen Ausbildung nach Würselen, trainierte bei Ruebens und besuchte die Englische Schule. „Der Plan war zuerst, dass ich drei Monate über den Sommer bleiben sollte, aber es wurden dann zwei Jahre.“ Nach einer Zeit zurück in der Heimat und einem Aufenthalt bei Olympiasiegerin Anky van Grunsven in den Niederlanden ist Maksakova seit nun sechs Jahren zurück zum Training bei Johannes Rueben.
Ihre braune Stute Aimee hatte gerade einige Tage eine ungeplante Auszeit auf dem Paddock, für ihre Reiterin war das eine unfreiwillige Pause, denn sie hatte sich eine Rippe angebrochen und musste passen. „Ich bin nach Johannes‘ Anruf aber sofort zum Physio und habe mich noch einmal behandeln lassen“, sagt Maksakova, die am Tag nach dem Anruf und ihrer Ankunft bei Ruebens die Zähne zusammenbiss und nach zehn Tagen erstmals wieder in den Sattel stieg. „Es tut noch weh, aber das macht nichts“, lindert die Vorfreude auf den CHIO ihre Schmerzen. „Aimee ist trotz der Pause in guter Form, hat vielleicht noch ein bisschen mehr Energie als sonst. Und wer weiß, vielleicht ist es ja gut, dass ich von der Startzusage so überrascht wurde, so bin ich im Kopf frei und nicht nervös.“
Ihr Coach weiß, wie es sich anfühlt, in Aachen zu reiten. 2009 und 2010 startet er beim CHIO, mit Wallenstein in der kleinen Tour und mit Adventure auf Grand-Prix-Level. Auch Vater Hans Rueben, Mutter Susanne und Schwester Sabine waren schon beim CHIO erfolgreich am Start. „Immerhin stand ich in der Inter I punktgleich mit den Dänen Andreas Helgstrand auf Platz sieben“, erzählt der 42-Jährige seinem Schützling, der nach dem Prix St. Georges ebenfalls die Inter I reiten wird. An eine Platzierung in Aachen denkt Maksakova nicht. „Ich möchte meinen ersten Start in Aachen einfach genießen und die bestmögliche Leistung zeigen“, hat sie sich vorgenommen.
Dabei ist die 26-Jährige alles andere als unerfahren, 2021 nahm sie für Russland an den Olympischen Spielen in Tokio teil, insgesamt ritt sie zudem siebenmal bei Europameisterschaften, von den Junioren über die Jungen Reiter und U25 sowie seit 2021 bei den „Erwachsenen“ – zweimal mit Bojengels und fünfmal mit Scampalo. Ihre Gefühle in Gedanken an Olympia sind gemischt, damals war Maksakova noch für Russland am Start. „In Tokio ritt ich Bojengels, und da der sehr feinfühlig ist, ging er mit einem ganz leichten Plastikgebiss. Doch als wir ankamen, sagte der Steward, dass das nicht erlaubt sei“, berichtet Maksakova. Und Rueben schaut sie an und ergänzt: „Der russische Equipechef hat das so akzeptiert, und wir beide haben den Fehler gemacht, dass wir nicht doch noch einmal zum Chefsteward gegangen sind und nachgefragt haben.“ Denn Bojengels hätte mit dem Plastikgebiss gehen dürfen, aber so ging er dann ohne vorheriges Training mit einem normalen Gebiss. „Er hat auf das unbekannte Gebiss draufgebissen, der Grand Prix war ein Desaster“, so Maksakova, die Platz 53 mit immerhin noch 63,898 Prozent belegte.
Was aber viel schwerer wog als die sportliche Enttäuschung war der Hass, der ihr danach in den Sozialen Medien entgegenschlug. „Ich habe 100, 200 Nachrichten bekommen, was für eine schlechte Reiterin ich bin, bin richtig böse angegangen worden. Ich war so traurig, ich wusste, dass ich schlecht geritten war, aber gibt das anderen Menschen das Recht, mich so fertig zu machen?“ Die damals 23-Jährige nahm sich die Angriffe der Hater sehr zu Herzen, so sehr, dass sie sechs Wochen später bei der EM in Hagen nicht frei reiten konnte – obwohl sie das Plastikgebiss wieder verwenden durfte. „Ich hatte in der Prüfung regelrecht Angst, und so ist Bojengels mir im Trab angaloppiert.“ Mit 65,202 Punkten sprang auch dort nur Platz 61 heraus.
Ein halbes Jahr lang ritt Maksakova kein Turnier, „allein der Gedanke daran hat bei mir Angst und Stress ausgelöst“, erzählt sie ehrlich, was die bösen Angriffe in den Sozialen Medien bewirkt haben. Sie arbeitete mit einem Sportpsychologen zusammen, der ihr half, die Angriffe von außen, von Unbekannten im Netz, nicht an sich heranzulassen. „Jetzt konzentriere ich mich auf die Meinungen in meinem Umfeld, auf die Richter und meinen Trainer und höre nicht mehr darauf, was fremde Leute sagen.“ Auch wenn sie gelitten hat, ist Maksakova doch im Rückblick für diese schlechte Erfahrung fast dankbar. „Ich bin dadurch gewachsen, bin eine stärkere Persönlichkeit, stärker im Kopf. Und ich weiß, alles, was im Leben passiert, passiert aus einem bestimmten Grund“, hat Maksakova ihre Lehren daraus gezogen.
Mit dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine durften die russischen Reiter nicht mehr an Turnieren teilnehmen. Und so entschieden sich „Sascha“, wie sie genannt wird, und ihr Mann, vor rund eineinhalb Jahren für Palästina zu starten. „Meine Freundin Diana al Shaer reitet ebenfalls für Palästina. Wir sind nun drei palästinensische Dressurreiter, sodass wir hoffentlich im nächsten Jahr sogar ein Team haben werden“, erläutert Maksakova. Inzwischen ist Bojengels mit 18 Jahren im sportlichen Ruhestand und genießt die Weide, und die zehnjährige Aimee, die sich gerade auf dem Sprung auf Grand-Prix-Ebene befindet, ist ihr Top-Pferd. „Sie geht schon 15 Einer-Wechsel und zeigt eine gute Passage“, fügt Rueben zufrieden hinzu und verweist zudem auf einen chicen Rappen in der Box nebenan, die große Hoffnung der beiden für die Zukunft. „Er ist erst sechs und hat als Fünfjähriger schon international eine Prüfung für junge Pferde mit 88 Prozent gewonnen. Er hat richtig viel Potenzial“, sagt Johannes Rueben, und Aleksandra Maksakova strahlt zustimmend.
Man merkt den beiden im Gespräch an, dass sie ein Team sind, auf einer Wellenlänge liegen. „Ich vertraue Johannes völlig“, sagt die 26-Jährige, und ihr Trainer strahlt zurück – die Chemie stimmt. „Wir beide haben ein Langzeitziel – die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles“, sagt er. Bis dahin soll sich sein Schützling auf Grand-Prix-Niveau etabliert haben. Und Johannes Rueben sagt lachend: „Wenn wir das Olympia-Ticket bekommen, sehen wir uns hier spätestens wieder. Und dann backe ich den Erdbeerkuchen sogar selbst.“ Das hört sich doch nach einem guten Deal an….
Quelle: Aachener Zeitung vom 2.7.2024
Eine Auszeichnung für besondere Leistungen im Sport haben Mia Steinbusch, Kurt Weidenhaupt-Schwenke (beide RV Würselen 1925 e.V.) und Claudia Weskamp-Effertz (RV Würselen-Broichweiden) erhalten.
Die Stadt Würselen ehrt Mia Steinbusch für den Titelgewinn bei den Rheinischen Meisterschaften 2023 Pony-Dressur und für weitere überregionale sportliche Erfolge wie beispielsweise einen Sieg beim Hamburger Derby. Claudia Weskamp-Effertz wird für ihre nationalen und internationalen Erfolge im Dressursattel ausgezeichnet, die im vergangenen Jahr mit der Verleihung des Goldenen Reitabzeichens gekrönt worden sind.
Für sein ehrenamtliches Engagement erhält Kurt Weidenhaupt-Schwenke die Medaille. Neben der Vorstandstätigkeit in seinem Verein und dem Kreisverband Aachen sowie dem Stadtsportbund hat er sich als Organisator von Veranstaltungen engagiert, um verschiedene Personengruppen mit Größen des internationalen Pferdesports zusammenzubringen.
Im Rahmen einer Sportlermatinee erfolgte die Verleihung durch Bürgermeister Roger Nießen und der Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Würselen. Es freuten sich mit den Geehrten die Vereinsvorstände Dr. Stephanie Herzog und Dagmar Rueben.
„Es war ein ganz tolles Turnier mit schweren Prüfungen und tollem Starterfeld!“ so Dagmar Lesniewski, Bereiterin im Stall Rueben und Verlobte von Johannes Rueben. „Wir sind sehr stolz darauf, dass wir so gute Pferde im Stall haben, welche alle von klein auf selber ausgebildet wurden“, so Johannes Rueben.
Dagmar Lesniewski platzierte sich mit ihrem neunjährigen Oldenburger Wallach Don Romeo von Don Romantic an fünfter Stelle mit 66,35%. Dicht gefolgt von Ella-Alea Maulhardt und Don Diavolo mit 65,91%. Katrin Sophie Lüthke erritt mit ihrem sieben jährigem Rheinländer Wallach Bentley Platz acht mit 65,40%. Julia Pedersen belegte Platz neun mit Django und 65,32%.
siehe: Rheinlands Reiter und Pferde